Erster Bericht der Schweiz zur UNO-BRK: Umsetzungsstau auf allen Ebenen

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Der Bundesrat hat den Initialstaatenbericht zur Umsetzung der UNO-BRK zu Handen der UNO heute verabschiedet. Der Bericht zeigt gemäss Mitteilung des Bundesrates ein positives Bild: „Das Behindertengleichstellungsgesetz, verschiedene Revisionen der Invalidenversicherung und das neue Erwachsenenschutzrecht haben wesentliche Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen gebracht. Die Selbstbestimmung und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen werden zudem gefördert durch die sozialstaatliche Eingliederungspolitik, etwa im Rahmen der Invalidenversicherung oder durch die verbesserte Zugänglichkeit zu Bauten oder zum öffentlichen Verkehr. Das Zusammenspiel zwischen den behindertenpolitischen Massnahmen von Bund und Kantonen und die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen kann jedoch verbessert werden. Deshalb hat der Bundesrat Ende 2015 das EDI beauftragt, bis Ende 2016 einen Bericht zur Behindertenpolitik vorzulegen. Dieser soll Vorschläge enthalten, wie die bestehenden Massnahmen von Bund und Kantonen besser aufeinander abgestimmt werden können. Der Bericht soll zudem zeigen, wie in zentralen Bereichen wie Bildung oder Arbeit die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen weiter gefördert werden kann.“ Ziel des Bundesrats ist es, die Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu verbessern.

Lob und Kritik von Inclusion Handicap

Inclusion Handicap, der Dachverband der Behindertenorganisationen in der Schweiz, analysierte die bisherige Umsetzung der UNO-BRK ausführlich und verfasste eine zusammenfassend eine erste kurze kritische Würdigung, die dem Initialstaatenberichtangehängt ist.

In diesem Anhang anerkennt Inclusion Handicap, dass es in den letzten Jahren auch dank dem Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) Verbesserungen gegeben hat. Optimistisch stimme, dass der Bundesrat im Bericht auch Handlungsbedarf erkennt und dies mit der Nationalen Behindertenpolitik angehen will. Trotz teilweise bestehender Rechtsgrundlagen liege eine inklusive Schweiz in weiter Ferne.

Dies sei insbesondere auf nachfolgende Ursachen zurückzuführen:

1. Es fehlt eine von Bund, Kantonen und Behindertenorganisationen gemeinsam erarbeitete nationale Behindertenpolitik, die auf den Zielen und Verpflichtungen der BRK basiert und mit einem für alle gesellschaftlichen Akteure verbindlichen Aktionsplan verknüpft ist.

2. Im Verfahren der Rechtssetzung wird die BRK nicht systematisch umgesetzt. Gesetze werden meist ohne Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und ohne Berücksichtigung ihrer Rechte und Anliegen erlassen oder revidiert.

3. Die föderalistische Struktur erschwert die Koordination insbesondere im Gesetzesvollzug.

 4. Während auf kantonaler und kommunaler Ebene keinerlei Anlaufstellen für die Umsetzung der BRK existieren, geht auf Bundesebene der Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) zu wenig weit. Zudem sind die Kapazitäten des EBGB zu gering.

5. Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen ist nach wie vor in erster Linie von einem medizinischen, defizitorientierten Ansatz geprägt, der auf der Logik einer Erwerbsausfallversicherung nach männlichem Lebens-Arbeitsmodell aufgebaut ist und schon in der verwendeten Begrifflichkeit („invalid“) die Würde der Betroffenen verletzt.

6. Schliesslich fehlt ein unabhängiges Monitoring.

Inclusion Handicap spricht in einer eigenen Medienmitteilung von einem „Umsetzungsstau auf allen Ebenen“. Der Initialstaatenbericht des Bundes beschränke sich weitgehend auf eine Darstellung der bestehenden Rechtsgrundlagen.

Im kommenden Jahr wird Inclusion Handicap einen eigenen ausführlichen sogenannten «Schattenbericht» beim UNO-BRK Ausschuss einreichen, und die Mängel bei der Umsetzung der Konvention hervorheben.

Hintergrund:

Das internationale Übereinkommen von 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist für die Schweiz am 15. Mai 2014 in Kraft getreten. Als Vertragspartei ist die Schweiz verpflichtet, dem zuständigen Überwachungsorgan der UNO, dem Ausschuss für die Rechte der Menschen mit Behinderungen, zwei Jahre nach dem Beitritt und danach alle vier Jahre Staatenberichte zur Umsetzung des Übereinkommens zu unterbreiten.

Zum Initialstaatenbericht und der Mitteilung des Bundes

Medienmitteilung von Inclusion Handicap

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